"Mundräuber" auf Radtour: Bürger für Erhalt lokaler Obstbäume motivieren




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Berlin/Rieste
DBU-Modellprojekt soll regionale Akteure im niedersächsischen Hasetal vernetzen - 125.000 Euro

In Deutschland überaltern viele Obstbaumalleen. Kommunen fehlen Ressourcen oder Fachwissen, um die artenreichen Kulturlandschaften zu pflegen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) unterstützt nun ein bundesweites Modellprojekt der Berliner Organisation Terra Concordia und des Tourismusverbandes Hasetal, das neue Wege geht, um lokale Obstbaumbestände zu erhalten: "Das Projekt soll Anwohner, Vereine, Umweltverbände, Schulen und Gastronomiebetriebe in die Pflege und Nutzung einbinden, damit sie ein stärkeres Bewusstsein für den Wert der Gehölze entwickeln", sagte heute DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde. In Rieste übergab er den Förderbescheid über 125.000 Euro an Terra Concordia-Geschäftsführer Kai Gildhorn. Entlang des niedersächsischen Hase-Ems-Radwegs sollen Bürger mit Experten mehrere tausend Obstbäume pflegen. Ein Konzept soll Gemeinden helfen, Obstbäume als Tourismusfaktor zu nutzen. Gildhorn: "Urlauber können Früchte direkt vom Baum pflücken - legal und kostenlos."

"Obstbaumalleen und Streuobstwiesen sind eine Herberge für alte Obstsorten und bieten Lebensraum für bis zu 5.000 verschiedene Pflanzen- und Tierarten. Leider sind viele von ihnen in einem katastrophalen Pflegezustand", erklärte Gildhorn. Die Obstbäume würden nicht regelmäßig beschnitten, die Wiesen nicht ausreichend gemäht oder beweidet. Gildhorn: "Um die Bestände langfristig zu sichern und die Sortenvielfalt zu stärken sind wir auf das Engagement der Bürger angewiesen. Ziel des Projektes ist es deshalb, regionale Akteure in persönlichen Kontakt miteinander zu bringen. Es geht darum, ihnen zu zeigen, dass gesunde Obstbaumbestände sowohl für die Region als auch für jeden Einzelnen ökologisch und ökonomisch gewinnbringend sind."

Kommunen könnten aus ihren freizugänglichen Obstbaumbeständen attraktive Angebote für die eigenen Bürger und Touristen entwickeln. Eine Gemeinde, auf deren Grund Äpfel, Birnen und Kirschen wachsen, verfüge über besondere touristische Anziehungspunkte. Vor allem kleine und mittelständische Tourismusbetriebe - wie Campingplätze, Gasthöfe oder Hotels - könnten davon profitieren. Sie seien in der Nebensaison meist weniger gut besucht, aber Radtouren durch Obstbaumalleen gerade zur Erntezeit im Herbst oder zur Obstbaumblüte im Frühjahr lohnenswert. In Zusammenarbeit mit den Kommunen solle
deshalb auch ein nachhaltiges Tourismuskonzept entwickelt werden, das Fragen zu relevanten Akteuren, Regeln, Pflege- und Nutzungsmaßnahmen, Kosten sowie weitere nachhaltige, touristische Angebote berücksichtigt. So solle die Region zwischen Melle und Meppen das ganze Jahr sowohl für die eigenen Bürger als auch für Urlauber attraktiv gemacht und gleichzeitig der Fortbestand der Obstbäume gesichert werden. Das Besondere an diesem Konzept sei, das es in enger Zusammenarbeit von über zehn am Radweg gelegenen Kommunen entwickelt werde und auf andere Regionen übertragbar sei. Dazu würden die Ergebnisse des Vorhabens in einem Handbuch zusammengefasst.

Erste Ideen, wie ein solches Konzept in der Praxis aussehen könnte, gebe es bereits: "Besucher können Früchte unterwegs einsammeln und bei Gasthöfen oder Hotels in der Nähe abgeben. Diese Betriebe brauchen zumindest einen Teil des benötigten Obsts nicht mehr selbst einzukaufen. Den Gegenwert der abgelieferten Menge können sie stattdessen in einen Fonds investieren, mit dem wiederum die Pflege der Obstbäume finanziert werden könnte", schlug Gildhorn vor. Die Idee werde aber zunächst mit Kommunen und Tourismusbetrieben diskutiert und weiterentwickelt.

Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen bilde im Rahmen des Projekts mindestens 30 Teilnehmer zu so genannten "Obstbaumpaten" aus. In dreitägigen Kursen würden sie lernen, wie die Obstbäume gepflanzt, gepflegt, geschnitten und veredelt würden. Außerdem erhielten sie Unterricht in Pflanzenschutz und Sortenkunde und würden über Schädlinge und Nützlinge informiert. Die langfristige Pflege würde von Ehrenamtlichen übernommen.

Als Planungsgrundlage kartieren Experten von Terra Concordia mehrere tausend Obstbäume und dokumentieren diese auch auf der Internetplattform www.mundraub.org. Das Portal für Obstallmende wurde 2009 ins Leben gerufen. Seitdem können Nutzer öffentlich zugängliche Obst- und Nussbäume, Kräuter und Beeren auf einer interaktiven Karte eintragen. Andere Nutzer können diese abrufen, sich über die Fundstellen informieren und Früchte, die sonst "vergammeln" würden, ernten, zu Delikatessen weiterverarbeiten oder direkt vor Ort verzehren.

Der Zweckverband Erholungsgebiet Hasetal mit den Mitgliedskommunen Meppen, Haselünne, Löningen, Essen (Oldenburg) sowie den Samtgemeinde Artland, Bersenbrück und Herzlake ist als Kooperationspartner an dem Projekt beteiligt. Durch die Aktivitäten des Tourismusverbandes, der die teilnehmenden Akteure koordiniert, konnten neben dem Verein zur Revitalisierung der Haseauen e.V. in Osnabrück, die Städte Melle und Osnabrück sowie die Gemeinden Bissendorf und Wallenhorst in das Projekt eingebunden werden. Wilhelm Koormann, Geschäftsführer des Zweckverband Erholungsgebiet Hasetal, sieht in dem Projekt eine große Chance, die Zusammenarbeit entlang der Hase zu stärken und damit unter anderem den Radtourismus anzukurbeln.

Weitere Projektdetails erhalten Interessierte am 16. Mai 2012, von 9 bis 14 Uhr, bei einem "Kick-off"-Treffen im Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK) der DBU. Anschließend sollen in Arbeitskreisen erste Modelle zur Pflege und Nutzung der Bäume entwickelt werden. Interessierte können sich auf Facebook über die Veranstaltung informieren. Anmeldungen für Journalisten sind unter presse@mundraub.org möglich.

Kontakt DBU:
An der Bornau 2
49090 Osnabrück
Telefon: 0541|9633521
Telefax: 0541|9633198
presse@dbu.de

Ansprechpartner für Fragen zum Projekt:
Kai Gildhorn
Telefon: 030/89635480
Telefax: 030/89648277
E-mail: kai@mundraub. org

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